Zünftig kommt von Zunft
Wer heute “Zunft“ hört, denkt zuerst an Handwerk. Das stimmt so, denn Zunft – von althochdeutsch zumft „zu ziemen“ – bezeichnet zunächst eine ständische Körperschaft von Handwerkern, die im Mittelalter zur Wahrung gemeinsamer Interessen entstand. Neben dieser wirtschaftlichen Funktion nahmen die Zünfte auch noch religiöse, soziale, kulturelle und militärische Aufgaben wahr.
Für Zunftmitglieder galt ein Ehrenkodex. Bei Verstößen gegen diesen Kodex, dem unzünftigen Verhalten, konnte man die Mitgliedschaft verlieren. Als äußeres Zeichen des Ausschlusses wurde häufig ein zur Zunfttracht gehörender Ohrring – der als Entgelt für den Bestatter diente – aus dem Ohrläppchen gerissen. Das hierdurch entstandene Schlitzohr wurde zur sprichwörtlichen Bezeichnung für listige, durchtriebene Menschen.
Davon sind die Mitglieder der Froschhamer Zunft natürlich weit entfernt!
Froschham ist eine Gemarkung in der ehemaligen Gemeinde von St. Zeno und wird als Bezeichnung auch von modernsten Navigationssystemen genutzt. 1453, als das oströmische Reich mit seiner Hauptstadt Byzanz zusammenbrach, herrschte bei uns im Westen große Panik – schließlich geriet die gewohnte Weltordnung ins Wanken. Was blieb da anderes als Beten?
Und so schlossen sich vor allem Bauern aus Froschham zu einer Gemeinschaft zusammen, die neben religiösen Pflichten auch gegenseitige Hilfe in den Vordergrund stellte.
Für damalige Zeiten geradezu revolutionär, kannte man doch soziale Absicherung im heutigen Sinne nicht.
Da die Zunft jedes Jahr ihres Bestehens lückenlos nachweisen kann, gilt sie als der älteste Verein privat-sozialer Prägung in Europa. Zwar gibt es ältere Vereine, aber alle weisen in Kriegs- oder Notzeiten Unterbrechungen auf.
Das Ideal der Zunft entzieht sich jeder betriebswirtschaftlichen Rechnung: Was brachte es den Bauern, gehängte Verbrecher bestatten zu lassen, Unfallopfern und Witwen beizustehen – alles aus eigener Kasse und oft weit über das eigene Gebiet hinaus?
Auch in Sozialhilfe-Zeiten hat sich daran nichts geändert: Die Zunft kann zwar aufgrund bescheidener Mittel nur marginale Hilfe leisten, aber auch eine zupackende Hand tut gute Dienste. So sorgt die Vorstandschaft um Zunftmeister Hans-Günter Reiser auch heute noch für eine ausgewogene Mischung aus caritativen Pflichten, religiösem Engagement und sozialer Begegnung.
Sichtbare Zeichen des Froschhamer Wirkens sind vor allem die weit über unsere Grenzen bekannte St. Zeno-Krippe oder die Mitgestaltung religiöser Feste.
In jüngster Zeit gibt es Froschham - St. Zeno in ganz unterschiedlicher Weise zum Anfassen und Genießen: Soeben ist von Zunftmeister Günter Reiser und 2.Oberzechpropst Max Oberwegner ein Büchl erschienen, das Einheimische wie Gäste durch das Reichenhaller Tal führen soll. In Zusammenarbeit mit den Reichenhaller Pfarreien entstand ein Überblick über die unzähligen Dokumente religiösen Lebens in und um Reichenhall.
Es ist ein Wanderführer, der ohne Anspruch auf Vollständigkeit vor allem die Kleinodien am Wegesrand vor dem Vergessen bewahren möchte.
In diese Handreichung kann man sich am besten bei einem Glas des wiederentdeckten St. Zeno Weines einlesen. Wie die meisten Klöster und Stifte besaß auch das Augustiner Chorherrenstift St. Zeno über Jahrhunderte eigene Weingärten. Dem über 500 Jahre alten Archiv der Zunft ist es zu verdanken, dass die Stiftsweingärten wieder aufgefunden werden konnten.
Heute befinden sie sich im Besitz der Stadt Krems, die aus den alten Zeno-Lagen ausschließlich hervorragende Weißweine vinifiziert. Von den Lössterrassen und vom Weinzierlberg kommen zwei Grüne Veltliner, die mittlerweile weltweit Anerkennung finden.
Auch in Reichenhall hat der junge, alte Wein inzwischen zahlreiche Freunde gefunden.
Mit diesen beiden jüngsten “Zunft-Kindern“ beweist die Froschhamer Zunft, dass sie keineswegs nur der Vergangenheit verpflichtet ist. Nur wer Tradition ins Heute übersetzt, kann sie dauerhaft bewahren.
Die Froschhamer wissen um die Verpflichtung, die sich aus über 550jähriger Geschichte ergibt und halten sie in ihren Begegnungen am Leben. Wer sich davon selbst überzeugen möchte, ist herzlich zur traditionellen Wallfahrt nach Großgmain mit anschließendem Fest am Sonntag nach dem 4.Juli eingeladen!